» Wie bereits gesagt wurde ich vor etwa hundertzwanzig Jahren in Japan geboren, auch wenn ich mich an die Zeit meiner frühen Kindheit leider nicht mehr allzu gut erinnere. Ich denke, dass ist einfach viel zu lange her, als dass ich noch etwas genau dazu sagen könnte, doch denke ich, mich einmal daran versuchen zu können.
Meine Eltern waren soweit ich mich erinnern kann eher neutral mir gegenüber gestellt und das bereits seit meiner Geburt. Sie haben nie besonders viel von mir gehalten und sich nur so viel wie nötig um mich gekümmert, da sie mir immer sagten, sie würden meine Schwester lieber mögen als mich. Dass sie innerhalb meines Bewusstseins existierte, habe ich eigentlich nie infrage gestellt und auch nie wirklich hinterfragt, da ich damals noch viel zu klein war um überhaupt genau verstehen zu können, was meine Eltern damit meinten. Es hatte mich um ehrlich zu sein auch nicht sonderlich interessiert, sowie ich ebenso ohne Murren akzeptiert habe, dass sie mich nicht ausstehen konnten, da ich meine Fähigkeit, Leute direkt zu durchschauen schon damals besaß. Es kam mir einfach normal vor, weil ich nichts Anderes gewohnt war und hatte auch kein Problem damit, dass ich meine "bessere Seite" nie zu Gesicht bekam, sondern stets ohnmächtig wurde, wenn sie auftauchte.
Wann ich anfing, die ersten Dinge zu lernen weiß ich nicht mehr so ganz, ich erinnere mich nur noch daran, dass ich in einem wirklich großen Anwesen gelebt habe und alleine von einem einzelnen Mann unterrichtet worden war, der wohl ebenfalls kein besonderes Verhältniss zu mir besaß. Damals haben wir noch sehr oft Feiern gegeben, an denen das Haus dann voller Leute war und ich auf Empfängen den verschiedensten Arten von Personen begegnet bin, von denen viele sogar nicht einmal meine Sprache sprechen konnten. Ich hatte mich eigentlich auch schon immer nach der Ferne gesehnt und fand mein eigenes Zuhause langweilig und öde, weshalb ich meine Eltern schon mit vierzehn Jahren dazu drängen wollte, mit mir einmal woanders Urlaub zu machen, doch haben sie mir das merkwürdiger Weise immer verwehrt.
Überhaupt durfte ich allgemein nur sehr selten das Haus verlassen, da meine Eltern Angst hatten, dass Akira etwas passieren könnte. Ich habe sie zu dieser Zeit noch für ziemlich verletzlich gehalten und eigentlich gedacht, dass ich mich nicht vom Fleck bewegen würde, um sie zu beschützen, doch merkte ich mit der Zeit, dass es wohl eher so war, dass man sie nicht herumlaufen ließ, damit sie Anderen nichts tat. Denn als ich dann ein weiteres Jahr älter wurde kam es immer öfter vor dass nach den kurzen Spannen der Bewusstlosigkeit, unter denen ich immer Häufiger litt, die Leute in meiner Umgebung verletzt waren oder irgendwelche grusigen Wunden aufwiesen. Damals waren es nur Angestelte, doch änderte sich auch dies, als meine Eltern plötzlich verstarben.
Allerdings erinnere ich mich leider auch hieran nicht mehr allzu genau, da sie soweit ich mich erinnern kann auf irgendeiner Reise oder so verunglückten und ich nur noch das Bild ihrer Beerdigung vor mir habe, auch wenn das ebenfalls recht schwach ausgeprägt bin. Ich weiß auch nicht mehr so genau, ob es sondelrich schwer für mich war, mit ihrem Tod klar zu kommen, nein, ich erinnere mich lediglich, dass ich mit etwa achtzehn oder neunzehn Jahren mein Zuhause heimlich verließ, da ich keine Lust hatte, die Firmen, die meine Eltern besaßen zu übernehmen, da ich mich zum einen noch zu jung dafür befand und zum Anderen wie schon früher etwas von der Welt sehen wollte und mich mein erster Stop somit nach Europa führte, wo ich eine Zeit lang in der Nähe von London lebte.
Zu der damaligen Zeit war es dort wirklich schön, wie ich zugeben muss, doch hatte ich das Problem, dass ich seit meinem fünfzehnten Lebensjahr äußerlich nicht mehr gealtert war und ebenso ständig von Akira in Probleme hineingeritten wurde, aus denen ich nur schwer wieder rauskam. Ich blieb also eine Weile in England, lebte aber nie in sonderlich guten Verhältnissen und reiste alle paar Jahre an einen anderen Ort, um unter den Menschen nicht allzu sehr aufzufallen, immerhin war es nicht normal, dass ein Junge wie ich innerhalb von zehn Jahren kein wenig sein Äußeres veränderte. So hielt ich mich also bis etwa zu meinem dreißigsten Lebensjahr in England und Teilen von Irland auf, bis ich mich dazu entschloss, meine Reise nach Amerika fortzusetzen und mich dort ein wenig aufzuhalten, da ich vermutete, dass es mir dort leichter fallen würde, auf dem Kontinent hin- und herzureisen.
Um genau zu sein, war es dann auch wirklich so, dass ich mehr als die Hälfte meines bisherigen Lebens in diesem Land verbrachte und nach ein paar weiteren Jahrzehnten sogar einige Studienjahre hinter mich brachte und somit rein theorietisch auch in der Lage dazu war, eine etwas höher gestellte Arbeit zu finden, doch gelang es mir beim besten Willen nie, in irgendeiner Firma, die die einzelnen Themen, die mich interessierten vertrat, aufgenommen zu werden.
Ich vermute stark, dass das mit meinem jungen Aussehen zusammenhing, doch war bestimmt auch Akira ein Stück weit daran Schuld, dass ich nirgends lange Fuß fassen konnte und so auch bei den Arbeiten, die ich im Laufe dieser Jahre annahm immer wieder gefeuert und auf die Straße gesetzt wurde, obwohl ich nichts für mich ersichtlich falsches getan hatte. Es war wirklich keine tolle Zeit, vor allem als dann irgendwann verkündet wurde, dass in Europa der Krieg ausgebrochen sei. Damals war ich schon ziemlich alt und wusste, dass es unklug wäre, sich mit meiner Herkunft äußerst auffällig zu verhalten, weswegen ich erneut eine lange Zeit warten musste, bis ich zögerlich auf die Idee kam, wieder in mein Heimatland zurückzukehren und mich dort eventuell in meiner Heimatstadt wieder niederzulassen.
Nun gut, letzten Endes bin ich an einer Schule etwas von dieser entfernt gelandet, doch bin ich trotz allem eigentlich ganz zufrieden mit meiner Arbeit, da es wirklich recht schwer ist, unter Menschen zu leben und diesen durchgehend vor machen zu müssen, einer von ihnen zu sein, damit sie keine übermäßige Angst vor einem haben (was in Akiras Falle ja vielleicht auch berechtigt wäre). Nun bin ich auf jeden Fall dafür zuständig, diese Schule in Schuss zu halten und mich darum zu kümmern, dass Reperaturen und Ähnliches gegebenen Falles durchgeführt werden und muss ehrlich sagen, dass ich eigentlich nicht vor habe, allzu bald damit aufzuhören. «